Russia today

Vor einem halben Jahr schon, haben wir euch in unserem ersten Blogpost von Russland erzählt, dass unser Bild von dem Land ziemlich verzerrt war. Vielleicht gerade deshalb ist unser Interesse an Russland ordentlich gewachsen. Da wir, wie immer, nur wenige Vorkenntnisse hatten, haben wir versucht hier etwas aufzuarbeiten. Dieses Mal wollen wir euch also erzählen was wir über die Zaren, Tataren, Kosaken, Lenin und Stalin gelernt haben. Vor Ort  kann man sich das Ganze dann doch etwas besser vorstellen. 

 

1136: Veliki Novgorod
Veliki Novgorod ist weit im Westen des heutigen Russlands und war somit eine der letzten Ziele die wir auf unserem Weg angefahren sind. Veliki Novgorod ist sozusagen die Geburtsstadt Russlands und war dementsprechend gut Besucht. Wir hatten also das idyllische und dünn besiedelte Sibirien hinter uns gelassen und sind hier gelandet. Ein bisschen schockierend waren die ganzen Menschen im ersten Moment schon. Der Novgoroder Kreml war aber auf jeden Fall sehr sehenswert. Er wurde im 9. Jhd. unter den Kiever Russen erbaut. 1136 löste sich Novgorod, als erste Stadt auf dem Gebiet des heutigen Russlands, von den Kiever Herrschern. Die Stadt gewann deutlich an Bedeutung und expandierte schnell. Politische Entscheidungen wurden damals immer von einer Volksversammlung innerhalb dieser Stadtmauern getroffen, der Prinz wurde schon einige Jahre vorher vertrieben. Die friedlichen Zeiten dauerten jedoch leider nicht lang.

 

 

1220: Dschingis Khan
Zum größten Feind des jungen Staates wurde der legendäre Dschingis-Khan. Er kam ziemlich genau den gleichen Weg den wir gekommen sind und überfiel Russland wie viele andere Staaten zuvor. Er plünderte alles und hinterließ fast überall ein Macht-Vakuum. In Osten des heutigen Russlands übernahm die Goldene Horde, besser bekannt als Tataren die Macht. Im Westen kämpften viele Städte um die Macht. Ende des 15. JH schaffte es Iwan III aus Moskau ein Großteil der Gebiete zu unterwerfen und ernannte sich selbst zum ersten Zaren von Russland.

1547: Iwan der Schreckliche
Mit der Krönung von Iwan dem IV begann die Herrschaft der Moskauer Zarendynastie. Mit ihnen kam auch praktisch der Aufstieg der Kosaken. Sie waren zumeist Leibeigene die vor dem russchen Adel geflohen sind und sich sich meist als Diebe an der heutigen russisch-ukrainischen Grenze durchschlugen. Die Zaren erkannten ihre Fähigkeiten und baten die Kosaken um Hilfe bei der Eroberung Sibiriens. Im Gegenzug erhielten sie wichtige Führungspositionen in den eroberten Gebieten. Eines der berühmten Kosakenforts haben wir zusammen mit Maria in Talzy besucht. Auch Tomsk und Krasnojarsk sind von den Kosaken gegründete Städte die wir auf dem Weg besucht haben. 1648 haben sie es letztlich geschafft das östlichste Ende Sibiriens zu erreichen.

 

 

1613 – 1917: Die Romanovs gründeten St. Pertesburg
Der Baikalsee war bisher der östlichste „Punkt“ unserer Reise. Auf dem Rückweg nach Europa kamen wir durch viele von den Romanovs gegründete Städte. Der erste Zar aus der Romanov Familie wurde von der russischen Bevölkerung gewählt, nachdem sowohl die Schweden als auch die Polen versucht hatten die Macht an sich zu reißen.

Jekatarinenburg und Nowosibirsk sind nur 2 der Städte die wir besucht haben, die unter den Romanovs entstanden sind.

 

Die Entstehung von Nowosibirsk sollte sich als eines der wichtigsten Ereignisse für das heutige Sibirien herausstellen. Die Stadt entstand um eine Baustelle entlang der Transsibirschen Eisanbahnlinie. Hier wurde eine Brücke über den mächtigen Ob Fluss gebaut und ermöglichte der Strecke zum wichtigsten Transportmittel Sibirens zu werden. Wir haben einige Tage hier verbracht obwohl die Stadt gar nicht mal so schön ist. Die Menschen dafür umso mehr.

 

Unser nächstes Ziel entlang der Strecke war dann Jekaterinenburg. Die Stadt wurde nach Katherina der Großen benannt. Sie war die deutsche Frau des Zaren Peter III. Nach der Ermordung ihres Ehemanns wurde sie zu einer der wichtigsten Herrscherinnen der russischen Geschichte. Große Leistungen wie die Einführung eines einheitlichen Schul- und Verwaltungssystems gehen auf ihre Kappe.

Jekaterinenburg ist bis heute wirtschaftliches und kulturelles Zentrum des Urals. Die Uralregion ist bekannt für seine Eisen- und Kupfervorkommen in bester Qualität. So wundert es nicht, dass z.B. das Dach des Parlaments in London und das Stahlgerüst der Freiheitsstatue aus Russland stammen sollen.

Die Stadt verlor auch später wenig an Bedeutung, denn während des zweiten Weltkriegs wurde ein Großteil der Russischen Fabriken hier her verlagert um sie zu schützen. Die letzten Romanovs wurden hier ermordet bevor Lenin an die Macht kam und der erste Präsident nach Zerfall der Sowjetunion sollte auch von hier kommen.

Moskau haben wir auf unserer Strecke ausgelassen, da unser Visa bald auslaufen sollte. Stattdessen haben wir uns fast direkt auf den Weg nach St. Petersburg gemacht und einige Tage dort verbracht.

Trotzdem haben wir bei Weitem nicht alles sehen  können!
Ausgelassen haben wir zum Beispiel die Peter und Paul Festung die 1689 von Peter I erbaut wurde um an das modernere Europa heran zu rücken. 1712 wurde St. Petersburg zur neuen Hauptstadt Russlands. Es entstanden unzählige schöne Gebäude und Russland wurde zur Großmacht. So war Zar Alexander der größte Feind Napoleons. Im Land kamen jedoch Unruhen auf. Die Bevölkerung forderte die Abschaffung der Leibeigenschaft während die Aristokraten natürlich um ihre Privilegien fürchteten. Der Enkel Alexanders brachte zwar ein paar Reformen auf den Weg, die aber letztlich nicht ausreichten. Er wurde von der Opposition ermordet. An der Stelle des Attentats konnten wir die wunderschöne Auferstehungskirche bewundern.

Die Beteiligung am ersten Weltkrieg machte die Situation keineswegs besser und so endete die Zarenherrschaft mit der Februarrevulotion in St Petersburg. Die Deutschen hofften, dass Lenin und seine Bolschewiken zu einem schnellen Kriegsende führen würden und verhalfen ihm aus dem Exil zurück nach Russland.

 

 

1917 – 1991: Die Sowjetunion
In so gut wie jeder ehemaligen sowjetischen Stadt haben wir eine Lenin Statue besucht. In Petersburg konnten wir dann schließlich sein Büro und den Balkon besuchen von dem er regelmäßig zum Volk sprach. Etwas überrascht waren wir schon von seiner Omnipräsens aber es gehen einige Fortschritte im Land auf ihn zurück. So hat er Bildungs- und Gesundheitssystem bis in die kleinsten Dörfer des großen Landes gebracht ohne dabei in ähnlichen Gößenwahn wie sein Nachfolger zu verfallen.

 

Die Zeit unter Stalin sollte zu einem dunklen Kapitel der russischen Geschichte werden. Um das Land zu industrialisieren brauchte Stalin viele billige Arbeitskräfte für verrückte Großprojekte. Informationen innerhalb von Russland findet man hierzu jedoch nur recht spärlich. Fündig wurden wir in einem ehemaligen Gulag – Perm 36. Überall verteilt im Ural wurden diese Arbeitslager errichtet um Stalins Großprojekte mit Material und Arbeitskräften zu beliefern. Während des zweiten Weltkriegs war bis zu einem Viertel der Bevölkerung faktisch grundlos inhaftiert. In Perm 36 konnten wir uns ein Bild über die miserablen Lebensbedingungen machen. Mehrere Menschen schliefen in Hochbetten auf kleinstem Raum, die Nahrung war streng rationiert und die Hygienestandarts miserabel. Ein Großteil der Häftlinge fielen den harten Arbeitsbedingungen in den sibirischen Wintern zum Opfer.

 

 

1991: Das Ende der Sowjetunion
1991 zerfiel die Sowjetunion und die meisten Staaten wurden unabhängig von Russland. Boris Jelzin wurde zum ersten Präsident des heutigen Russland.  Auch wenn das Museum etwas verschönigend ist, lohnt ein Besuch auf jeden Fall. 
Schon vor Zerfall der Sowjetunion sprach er sich als erster öffentlich für radikale Neuerungen aus. Daraufhin verlor er alle seine Ämter und wurde aus der Partei ausgeschlossen. Als erster Präsident versuchte er dann das Land aus dem Kommunismus in den Kapitalismus zu führen. Am Ende seiner Amtszeit übergab er seinen Posten an Putin. Der heutige Präsident sorgt besonders in Europa für viel Gesprächsstoff aber auch die Russen diskutieren gerne über die allgemeine Weltpolitik. Am Ende aller Diskussionen stand jedoch immer ein Satz: „Merkel und Putin sind Politiker, aber wir sind normale Menschen wie ihr!“

 

Wir sind jedenfalls sehr froh dieses tolle Land mit unglaublich netten Menschen bereist zu haben. Die Bilder voneinander scheinen beidseitig etwas verzerrt zu sein. Umso schöner ist es wenn ein älterer Russe die deutschen mit Tränen empfängt und schildert, dass sein Einsatz an der innerdeutschen Grenze die schlimmste Zeit seines Lebens war. Es sei so wichtig, dass junge Menschen kommen, die das Land so sehen wie es ist.

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Oma Renate (Freitag, 24 November 2017 13:58)

    Liebe Ann-Katrin und lieber Jörg, nein ich war nicht bummelig. Schon gestern habe ich euern neuen ,umfangreichen Eintrag gelesen ( kurz vor dem Schlafengehen).Da mich die bewegte Geschichte Russlands auch sehr interessiert, habe ich mir eure Erlebnisse und Erkenntnisse eben noch einmal zu Gemüte geführt, damit mir auch kein Detail entgeht.Ein wunderbarer Beitrag !Und wieder reise ich in Gedanken mit .
    Der Start in Velki Novgorod, wie ihr es beschreibt , der Geburtsstadt Russlands geht diesmal los.Die wunderbaren Fotos ergänzen anschaulich die imposanten und mächtigen Wahrzeichen auf euerm Weg durch das Land.
    DschingisKhan- schon viel habe ich über ihn gehört , aber ohne das nötige Hintergrundwissen.Oder über das Leben der Tataren unter Iwan III, dem 1. Zaren Russlands . Nach mehr als 300 Jahren kam Iwan der Schreckliche . Welche Rolle hier die Kosaken spielten, wie sie unter der Zarendynastie litten, Leibeigene waren und vor dieser Unterdrückung flohen , ist sehr beeidruckend. Das bewegt die historisch interessierten Leser immer noch sehr.Überhaupt , welche Rolle diese Menschen , die Tataren , die Kosaken , die Zaren in der Politik spielten,ist sehr interessant.
    Ihr seid ja auch von Sibirien her durch das russische Land gezogen und habt Städte wie Tomsk( Handelszentrum Sibiriens ) und Krasnojarsk kennengelernt. Diese Metropolen haben ihren Ursprung im zaristischen Russland ; sie sind im Laufe der Jahrhunderte für das Land und seine Wirtschaft bedeutungsvoll geworden.
    Nochmals muss ich erwähnen , wie mich die +Fotos von gewaltigen Monumenten / Statuen beeindrucken : z. B. die DschingisKhan - Statue in der Mongolei, die Kosakenfestung in Talzy ( eine andere Art der Berühmtheit).... Ich frage mich , mit welchen Männern gehst du , liebe Ann-Katrin dort in Reih und Glied ?
    Die Romanov -Geschichte ist gewiss ebenso wichtig. Sie waren einflussreiche Oberhäupter .Unter ihnen wuchsen Städte wie Jekaterinenburg und Nowosibisrk, heute noch bedeutungsvoll !Nicht weniger wichtig war der Ausbau der Transsibirischen Eisebahn in den unendlichen Weiten des Landes , ein Supertransportmittel für Mensch und Ware.
    Nun kommen wieder die Menschen ins Spiel, wie überall auf eurer langen Reise. Immer wieder habt ihr Kontakte zu aufgeschlossenen , liebenswerten und auch hilfsbereiten Menschen .Alle sind wiederholt neugierig auf den LO und sene Besatzung.
    Katharina die Große , geborene Sophie Prinzessin von Anhalt-Zerbst war eine kluge und zielstrebige Frau. Mehrere deutsche Autoren haben in ihren Romanen über deren Leben neben Peter III und nach seinem Tode geschrieben , weil es wirklich interessante Geschichte ist.Unter ihrem Einfluss sind gewaltige Gebäudeund Denkmäler auch in Jekatarinenburg entstanden.
    St. Petersburg , ein wunderbares Ziel eurer Reise !Es ist die neue Hauptstadt Russlands und eine wichtige Handelsmetropole.- Der Prunk - auf euern Bildern festgehalten-zeugt von Macht in Kathedralen und Palästen , auch im bekannten Peterhof. Aber wie lebte das algemeine Volk ?
    Lenin , ein neues Kapitel der Geschichte und des russischen Volkes , brachte weitgreifende Veränderungen mit sich.-Lenin - Denkmäler deshalb auch überall , riesegroß, gewaltig.
    Aber, aber , wer bohrt denn da in Lenins Nase ????
    UnterStalin hatten die einfachen Leute nichts zu lachen , Ausbeutung grenzenlos.-Jelzin brachte den Umschwung. Aber auch um ihn weht Kultluft, oder ?
    Euer Schlusswort finde ich klasse.Die sowjetische Besatzungsmacht in der DDR,nach dem 2. Weltkrieg die russisch besetzteZone , habe ich selbst kennengelernt. So ein russischer Soldat war arm dran , das habe ich erlebt. Da kommt der Gedanke , was sich für ihn verändert hat.Diese Russen sind auch nette und liebenswerte Menschen.
    Ihr zwei bedauert, nicht alles gesehen zu haben , die Zeit verging zu schnell.Aber Vorfreude ist doch auch schön : So werdet ihr gewiss wieder mal Reiselust empfinden und dann ist Russland ein erstrebenswertes Ziel! In diesem Sinne : Danke für eure tollen Ausführungen ! Wer schreibt nun weiter, wenn ihr euch seßhaft macht ?
    Liebe Grüße - eure Oma Renate.

  • #2

    Kerstin (Sonntag, 26 November 2017 21:14)

    Wären die Geschichtsbücher meiner Schulzeit mal so lesenswert gewesen... ;) Richtig toller Beitrag! Liebe Grüße und bis ganz bald