Was nicht passt wird passend gemacht

saltedlife.org Ann-Katrin Knobloch Jörg Hund Taj Mahal Royal Enfield Indien

Es ist drei Uhr. Mitten in der Nacht. Ich schleiche durch unser kleines Hotelzimmer und versuche Jörg nicht zu wecken. Das Fenster habe ich vor einer Weile geschlossen, doch gegen das dauerhafte Hupen der Autos bringt es nur wenig. Wir sind in Indien.

Vor 2 Wochen haben wir die Grenze von Nepal aus kommend erstmal verpasst. Es standen LKW auf der Straße, überall waren TukTuks, Mopeds, Kühe und Menschen. Was fehlte war der sonst übliche Schlagbaum. Das Hinweisschild zum Grenzhäuschen befand sich bereits 2 km hinter uns…. Also zurück. Wir fanden es schließlich versteckt hinter einer braunen, zufrieden käuenden Kuh.
Nachdem wir dann erfolgreich ins große Buch für Ausländer eingetragen waren machten wir uns zielsicher auf den Weg zum wohl bekanntesten Bauwerk Indiens. Das Taj Mahal wollten wir auf keinen Fall verpassen. 2 Tage brauchten wir. Der Weg führte uns durch flache Felder, vorbei an kleinen Dörfern, wusseligen Städten, über den noch halbwegs sauberen Ganges, in die Industriestadt Agra. In der furchtbar schmutzigen und von Gaunern besiedelten Stadt bekamen wir eine top Führung und einen professionellen Enfield Service.

 

Aber schon da war klar, dass Indien hauptsächlich VIEL ist:
   Viele schwarze Flüsse, viel weißer Marmor, viele bunte Saris.
   Viele Vegetarier, viel gutes Straßenessen, viele gefüllte Samosas.
   Viele Motorräder, noch mehr Kühe und Hunde auf den Straßen.
   Viele verschiedene Religionen, noch viel mehr verschiedene Gottheiten.
   Viele Menschen, die Geld von uns wollen, viele die mit einem Selfie oder einem Handschlag glücklich sind.

 

 

Vielleicht etwas ZU VIEL, wie mir jetzt in meinem Hotelzimmer immer klarer wird. Das letzte Jahr war unglaublich ereignisreich. Mit den Gedanken hängen wir immer noch in der Kazachischen Steppe fest und versuchen die ganzen Eindrücke zu verarbeiten. Dabei ist in der Zwischenzeit doch schon wieder so viel cooles passiert… Silke und Frank, Maria, Auszug aus Coocie, Annapurna, Royal Enfield, Stephanie, meine Eltern, Kathmandu, Pokhara, Bardir, … In meinem Kopf drehen sich die Bilder und draußen hupen immer noch die Autos.


„Entweder man hasst oder man liebt Indien“ hat man uns immer wieder gesagt. Wir mögen Indien, es ist überraschend, überraschend interessant, schön, lecker, freundlich, aber auch leider schmutzig, stinkend und laut. Vor allem aber braucht es unsere ganze Aufmerksamkeit. Vor fünf Tagen zum Beispiel: Wir besuchen die alte Mogul-Festung in Fatehpur Sikri ein unglaublich imposantes Gebäude, das von Akbar einem Nachfahren von Dschingis Khan und dem Großvater von Shah Jahan, dem Erbauer des Taj Mahals als kurzzeitige Hauptstadt des Mogulimperiums errichtet wurde. Wir versuchen dieses Puzzelteil in unser bisheriges Geschichtsbild Asiens einzufügen. Dazu kommt, dass in dieser kleinen Stadt, jeder versucht etwas vom Geld der Touristen abzubekommen. So leider auch die Kinder, die einen stundenlang durch die alten Steine führen, in der Hoffnung auf einen Dollar oder Euro. Wir sind geübt, haben schon öfter bettelnde Kinder in der Welt gesehen, aber kalt lässt es einen nie. Es fällt uns immer schwerer Erlebnisse wie diese zu sortieren.

 

Ich lege mich wieder ins Bett und will versuchen nochmal zu schlafen. Dabei wecke ich, wie schon so oft in den letzten Tagen, Jörg auf. Auch er schläft unruhig, auch ihn beschäftigt viel, auch er fühlt sich ausgelaugt. Es scheint, als hätte uns die Reisemüdigkeit eingeholt. Zu viele Eindrücke, zu wenig Zeit alles zu verarbeiten. Auch wenn es schwer fällt sich das ein zu gestehen, macht man das alles doch freiwillig und macht das alles doch unglaublich viel Spaß, so hilft in dieser Situation wohl nur eins. Urlaub! Wenn wir weiter reisen wollen müssen wir unseren Kopf frei bekommen und das funktioniert leider nicht in einem Land, in dem einem die Eindrücke überhäufen. Ich rede lange um den heißen Brei herum, aber irgendwann können wir uns zu der Entscheidung nach Deutschland zu fliegen durchringen. Es ist bald Weihnachten, wir haben bei unseren Eltern Orte, die uns vertraut sind, an denen wir uns jederzeit zurückziehen können und viele alte und neue Freunde, die sich über unseren Besuch freuen werden.

Draußen wird das Hupen der Autos wieder schlimmer, das Zimmer wird langsam von den ersten Sonnenstrahlen erhellt, aber wir können mit der Aussicht auf eine Pause nochmal für ein paar Stunden einschlafen.

 

5 Tage später haben wir unsere letzte Tour mit Sarah, 12 Stunden Zug fahren in Indien, 8 Stunden Aufenthalt in Dubai und die 2 Stunden von Frankfurt nach Herxheim hinter uns und sitzen erschöpft, aber glücklich bei einer Tasse Tee und Kaffee bei Mutti in der Küche. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Oma Renate (Mittwoch, 01 März 2017 13:34)

    Liebe Ann-Katrin, heute erst lese ich deinen wunderbaren Eintrag und danke dir und natürlich deinem Schatz für die überaus beeindruckende nFotos , den Bericht die Einblicke in Indiens Geschichte -und das Leben in diesem wuseligen Land !
    Vor nicht zu langer Zeit hatte ich einen Film gesehen , der in Indien spielte. Das hatte michschon bewegt.WAs ihr aber jetzt beschreibt, ist einfach überwältigend ! Wirklich von allem :VIEL-bzw. Superlative.
    Da glaube ich gern , dass ihr erst mal etwas Abstand braucht , das alles zu verdauen.
    AQber es hat mir doch sehr imponiert,welche schönen Fotos von euch zu sehen sind , z.B. vor dem Taj Mahal, vor der Wasserstraße mit dem herrlichen Spiegelbild , auch das Spiegelbild in Jörgs Sonnenbrille, die schwarz-weißAufnahmen , die hübsche Elefanten-Pos....einfach faszinierend !Das AgraFort war ja ein tolles Gefängnis !Die vielen Eindrücke : unübersichtliches Sraßenbild ,gewiss ohne irgendeine Ordnung,der Gestank-ich rieche es bis hier heraus, die dreckigen Flüsse, der lärm , das Schlangestehen am Geldautomaten, das geruhsame Zugfahren....Ja , dies indische Welt müsst ihr erst mal erfassen und verarbeiten.Dass sich da auch euer Geschichtsbild vervollständigt bzw. anders darstellt ,ist sicher nicht so ganz einfach.
    Aber ich bin der Meinung , bestimmt werdet ihr Indien noch mal einen Besuch abstatten- länger und innerlich auf alles gut vorbereitet.
    Bis dahin zehrt erst mal von den bislang wunderbaren Reise erlebnissen, erholt euch in heimatlichen Gefilden, dann startet ihtr mit euerm Coocie neu und werdet mir bestimmt wieder schöne Sachen berichten - Ich freue mich darauf !
    Bleibt gesund ! Eure Oma Renate.
    r