Bei Sonnenaufgang reiten wir los

Während die einen von morgens bis abends schuften gehen und die Anderen sich die Finger an ihren Masterarbeiten wund schreiben, machen wir Urlaub. Oder machen wir eigentlich nichts den ganzen lieben langen Tag? Was machen wir jetzt also genau? Man nennt es Reisen. Eine Reise dieser Art ähnelt dem durchschnittlichen Jahresurlaub tatsächlich nur wenig. Wie sieht also so ein Tag aus?

Unsere Tage beginnen meist so gegen 7 Uhr morgens, denn der eigene Tagesrythmus passt sich den Sonnenstunden an. Das ist auch gut so, denn häufig braucht man die Zeit am Ende des Tages. Um 7 Uhr also kriechen wir aus dem Bettchen, gehen duschen, kochen Kaffee und machen Frühstück. Die Bedingungen sind perfekt zum draußen sitzen. Die Sonne scheint, ein Lüftchen weht und noch bevor wir das Frühstück halb verschlungen hatten, kommt schon der erste neugierige Besucher mitsamt seinen 51 Freunden. 50 Schafe und 1 Esel. Mit Hand und Fuß machen wir klar was wir eigentlich hier machen und laden zum Tee ein. Hier ist das üblich so. Die Frage nach den Kindern und ob wir verheiratet sind lässt sich schnell beantworten. Der Rest solcher Konversationen sind dann in der Regel äußert mühsam. Zum Abschied noch ein kurzes Foto, denn alle wollen los Reiten.

 

Es ist also 11 bevor der Abwasch erledigt ist, alles Rüttelfest verstaut ist und man den Motor anlassen kann. Der Weg heut führt uns in eine kleine Stadt namens Zanjan im Nordwesten Irans. Eine Stadt von knapp einer halben Million Einwohnern. Wir müssen einkaufen, Wäsche waschen und einen Reifen Flicken. Denn einer davon war mir am Vorabend mal wieder kaputt gegangen. Die oft sehr schlechten Straßen setzen den Reifen doch deutlich mehr zu als wir es gewohnt sind. Die 30km bis zur Stadtgrenze sind schnell gefahren, danach beginnt das gewohnte Chaos. Manchmal hat man das Gefühl, dass die Iraner im Auto ihre zweite, dunkle Seite verstecken. Mit dem Schließen der Autotür, werden die sonst gewohnte Höflichkeit, Freundlichkeit und sämtliche anderen Verhaltensregeln scheinbar einfach ausgesperrt. Nach einer guten Stunde ist man also drin, auf einem Parkplatz nahe dem Stadtzentrum. Es ist 12. Mit einem großen Rucksack voller schmutziger Wäsche machen wir uns auf dem Weg in die Stadt um eine Waschmaschine zu suchen. Es dauert keine viertel Stunde bis wir zum Tee und Eis in einem kleinen Laden eingeladen sind. Als Fremder wird man hier ständig und überall herein gebeten und kann nur sehr schwer ablehnen. So sitzen wir also im kleinen Laden und beschließen gerade unsere Einkäufe eben hier zu erledigen, als ein gut deutschsprachiger Mann den Laden betritt. Es ist Mohammed. Er hat seinen Namen vereinfacht, sodass auch wir ihn uns merken können. Kurzer Hand beschließt Mohammed uns die Stadt zu zeigen und uns zu einem Wäscheservice zu bringen. Mohammed studiert Linguistik und spricht perfekt Englisch, Persisch, Azeri und gut Deutsch. Nach 2 Stunden Stadtbesichtigung kommen wir endlich am Wäscheservice an, sodass ich den schweren Ruck endlich loswerden kann. Danach sind wir schon bei seiner Mutter zum Mittagessen eingeplant. Es gibt Dizi. ein Traditionelles Iranisches Gericht aus Vorsuppe und einer Hauptspeise aus Kartoffeln, Bohnen Kichererbsen und Rindfleisch, gefolgt von dem obligatorischen Tee. Im Anschluss fahren wir zusammen in den Garten der Familie denn dort leben die Großeltern. Es dauert nicht lang bis auch dort die ersten interessierten Besucher eintreffen, denn unser Auto lässt sich nicht so einfach verstecken. Die Schwiegereltern, die Großeltern, die Eltern, die Cousins... alle da und wir mitten drin. Natürlich auch hier Tee, Wassermelone, unzählige Fragen zu beantworten und Coocie Besichtigungen. 

Es ist genau was wir suchen. Wir sind gekommen um genau diese Einblicke in ein Land mit seiner Kultur zu erhalten. Dabei gibt es unheimlich viel Neues für uns zu erlernen und zu beachten. Denn Sitten und Gepflogenheiten unterscheiden sich sehr stark von den gewohnten. Nebst allen neuen Eindrücken eignet man sich nach und nach einen gewissen Wortschatz an um die Gespräche zu vereinfachen. Gegen 7Uhr beschließen wir also zurück auf unseren Parkplatz zu fahren und den Tag zu beenden. Dort angekommen wollten wir gerade Abendessen kochen als es einen großen Schlag gibt und unser Auto ins Wanken gerät. Ja. Mit Schmackes in den Motorradträger gefahren die Dame. Bei uns ist zum Glück nicht viel passiert. Mit einem zerbrochenen Rücklicht kann ich leben. Den Peugeot der Dame hat es freilich schlimmer getroffen. Die Heckklappe mitsamt Scheibe ist wohl nicht mehr zu gebrauchen. Wir lehnen das Geld für das Rücklicht ab und werden für den nächsten Tag zu  Essen eingeladen. Mittlerweile ist es 9 und wir entscheiden nichts mehr zu kochen sondern schnell einen Happen essen zu gehen. Kurz nach 22Uhr schließen wir also unsere Haustür und beginnen den Tag zu verarbeiten. 

Manchmal möchte ich das Reisen so beschreiben wie meine Eltern mir einst das Studium beschrieben haben. Neben Unmengen an tollen Erlebnissen gibt es jede Menge zu lernen. Es ist wirklich ein bisschen wie ein Studium. All die Informationen zu erfassen und zu verarbeiten ist äußerst anstrengend. Am Ende wird man jedoch mit unheimlich vielen Einblicken und Eindrücken belohnt.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 5
  • #1

    Oma Renate (Montag, 04 Juli 2016 16:34)

    Hallöchen , liebe Ann-Katrin , lieber Jörg ,endlich ist wieder ein Lebenszeichen von euch gekommen: ein neuer Eintrag !Vielen Dank dafür !!!!!!!!!!!!!!!!!
    Mit Begeisterung habe ich euern Tagesbericht gelesen und finde , es ist tatsächlich nicht so einfach , das Reisen !
    Euer Tagesprogramm war schon umfangreich ,und am Abend hat sich das dann auch wirklich alles realisiert-trotz der Plankorrekturen !Es ist immer wieder erstaunlich , wie gastfreundlich die Menschen sind. Der Mohammed , den ihr kennengelernt habt ,ist ja ein richtiger Schatz , ein Sprachschatz.So etwas trifft man nicht alle Tage.-Eure Fotos sind wieder ganz toll , dakann ich mir alles gut vorstellen : Großfamilein, Sehenswürdigkeiten ,Eselsritt....-einfach prima !
    Der Ausklang eures Reisetages erinnert mich ja sehr an das Unglück von Mutti und Vati , ein Rumps, ein Autowanken und der Wohnwagen hin , total hin . Hauptsache ist aber , dass keine Menschen zu Schaden gekommen sind !
    Alles in allem war es für euch ein aufregender , aber wohl auch glücklicher Tag, oder ?
    Ich wünsche euch noch viele schöne Sommertage und- erlebnisse. Lasst mich wieder mitreisen .
    Es grüßt euch ganz lieb -eure Oma Renate.
    Ps. Habt ihr meine Mail erhalten ?????????????????????
    Liebe Ann-Katrin , frischer Honig ist geschleudert, Erdbeerkonfitüre fertig, Gewürzgurken schmecken schon-ihr könnt kommen !

  • #2

    Turbo (Montag, 04 Juli 2016 17:23)

    Ok, damit ist ein Tag der letzten gefühlten 100 beschrieben... Was ist an den anderen passiert?? Ich bin ganz Ohr

  • #3

    Gabi Susek (Montag, 04 Juli 2016 23:57)

    Es ist so schön immer mal wieder von euch zu lesen und ein wenig teil zu haben an eurem Abenteuer. Ich bin ja sooooo neidisch. Genießt die Zeit und bleibt gesund.
    Ganz liebe Grüße
    Gabi

  • #4

    Sahar (Freitag, 08 Juli 2016 14:55)

    Hallo Frau Katherine , Ich bin Frau Sahar , 7/7/2016 Entlang des Strandes in Anzali ,Ich traf mich mit Ihnen , Ich und Mein Sohn SAMYAR und Familie. Du erinnerst dich die guten alten Zeiten in Iran.

  • #5

    Saltedlife.org (Dienstag, 12 Juli 2016 16:09)

    Danke! Es ist immer cool zu wissen wer denn alles liest und das es gefällt. Ich hoffe ihr habt auch schon Sommerpläne!?sa
    Wir warten gerade in Baku auf unseren Weiterflug nach Aktau und freuen uns auf die Flasche Wein heute abend, die wir gerade gekauft haben ;-).