Es gibt sicherlich nicht viel, was mich zum Schreiben inspiriert. Aber wenn man gefragt wird, hier den Gästeeintrag zu schreiben, da sagt man nicht "nein" sondern haut in die Tasten.
"Georgien? Sicher? Ist das nicht gefährlich?" So oder so ähnlich waren wohl die häufigsten Reaktionen, wenn man in der Heimat von dem Reiseziel Georgien berichtete. Und tatsächlich hat man von dem Land, den Leuten und selbst der Lage keine Vorstellung. Man verbindet das Land mit einem Krieg, dem Kaukasus und der Wettmafia.
In der Hoffnung, dass das Land trotzdem sicher genug für einen Urlaub ist und der Kaukasuskrieg nicht wieder ausbricht stiegen wir in den Flieger und wurden bereits bei der Landung in Tiflis daran erinnert, wie gefährlich das Land ist. Aufgrund eines Sturms wurden diverse Flüge bereits gestrichen, jedoch hat das unseren Piloten nicht vom Fliegen abgehalten. Der erste Versuch ging zwar noch schief ("Unfortunatly we missed the airport") aber schon im zweiten Versuch landeten wir sicher und etwas zu weit hinten auf dem Rollfeld, sodass das Flugzeug hinter der Bahn drehen und zurück zum Flughafen fahren musste. Dort haben uns Jörg und Wendy bereits erwartet und man muss sagen: Jörg ist inzwischen vollkommen aus seiner Frisur raus gewachsen. Die langen Haare befinden sich ausschließlich im Gesicht und man kann ihn zwischen den Georgiern kaum noch erkennen. Also ab mit Coocie (wunderschön und jung geblieben wie immer) über den George W. Bush Highway nach Tiflis und ab ins Hostel.
Der Sturm hat sich über Nacht verzogen und nach einem ausgiebigen Frühstück in einer wundervollen Bäckerei haben wir uns aufgemacht Tiflis zu erkunden. Was sofort auffällt ist die
Amerikanisierung der Stadt. Amerikanische Fast-Food Ketten, die Polizei (reichlich vorhanden) fährt wild blinkende Ford Interceptors und riesige neue Gebäude, die nicht ins Stadtbild passen,
findet man an fast allen Ecken im Zentrum. Man merkt, dass das Land mit viel Geld und Investitionen in den Westen gedrückt werden soll. Egal, das macht Tiflis zu einer sehr besonderen Stadt der
Gegensätze, denn wenn man eine Ecke zu weit läuft findet man das Georgien, wie man es sich vorstellt. Russische Autos, Straßenmärkte, Eselkarren und ungeordnetes Gewusel auf den Straßen.
Über der Stadt wacht auf der einen Seite die Statue der Mutter von Georgia und auf der anderen Seite ein riesiger Funkmast, der von einem (geschlossenen) Vergnügungspark umgeben ist. Von beiden
Punkten hat man einen super Blick über die Stadt, die vom Fluss Kura getrennt wird, und auf die Tbilisi Sameba Cathedral, die mit ihrer goldenen Kuppel und einem riesigen Areal ein Highlight der
Stadt ist. Da der ganze Tag für Tiflis reserviert war, haben wir den ganzen Tag mit Sightseeing verbracht und uns abends auf typisch georgische Art den Magen voll gehauen: Knoblauch, Fleisch und
gefüllte Nudeln. Absolut lecker.
Nach einem weiteren Frühstück bei unserem Lieblingsbäcker haben wir Tiflis in Richtung Ananuri verlassen. Nachdem wir noch etwa eine Stunde in der Metropolregion unterwegs waren wurden die Straßen und die Landschaft schon bald so, wie man sich Georgien vorstellt. Ländlich, Kühe, Esel und Schafe weiden am Straßenrand und auf den Straßen herrscht eine Art von geordneter Anarchie. Aber irgendwie macht es das Land auch sehr sympatisch. Nicht nur, weil die Esel am Straßenrand sehr süß sind. Jedoch wurde der neue Zauber bald unterbrochen. Aufgrund von Schneefällen am Pass Richtung Russland war die Straße gesperrt und die schlecht gelaunten Polizisten haben nur Georgier passieren lassen. Nachdem wir im ersten Versuch noch abgewiesen wurden hat Coocie seinen Charme spielen lassen. Der Polizist war so interessiert am Auto, dass er sich durch etwas "Hand-Fuß Sprache" davon überzeugen ließ, dass wir nicht nach Russland sondern nur nach Ananuri wollten. Dort angekommen haben wir die gleichnamige Burg erkundet und uns anschließend einen guten Stellplatz gesucht. Zum ersten Mal wurde uns klar, was Jörg gemeint hat, als er sagte: "Egal wann du aufbrichst und wie viel du fahren willst. Du kommst immer erst kurz vor der Dunkelheit an."
Das sollten wir auch am nächsten Tag zu spüren bekommen. Der Plan war in die Region Kachetien zu fahren. Eigentlich eine Strecke von etwa 60km und auf der Karte als Bundesstraße eingezeichnet haben wir bald mitbekommen, was schlechte Straßen bedeuten. Einspurig, matschig, huckelig und kaum befahrbar. Aus der einen Stunde geplanten Fahrzeit wurde eine gefühlte Ewigkeit. Endlich in Kachetien angekommen mussten wir uns schon auf die Suche nach eine Nachtstellplatz machen, als wir ein großer "Weinkeller"-Schild sahen. Also so ein Weinchen in Ehren kann keiner verwehren und schon standen wir in einem Weinkeller, der auch Omas gute Wohnstube sein könnte.
Man muss sich die "Führung" und Verkostung so vorstellen: Der Kellerfürst spricht kein Wort Deutsch oder Englisch, führt über den Hof und durch den Keller in der Hoffnung, dass wir seinen Mischmasch aus Georgisch, Russisch und Hand-Fuß-Sprache verstehen und plötzlich haben alle ein Glas in der Hand und er zapft mit einem Schlauch aus einer PET-Flasche Wein. Nach ein Bisschen Unterhaltung mit Hand und Fuß und 2 weiteren Weinen wurden wir an den Tisch gebeten, wo die Dame des Hauses angefangen hat, georgische Spezialitäten aufzutischen. Wir waren ja bereits in Tiflis "typisch georgisch" essen, aber das in diesem Weinkeller hat Tiflis um Längen getoppt. Käse, Brot, Chinkali (Mit Hack gefüllte Teigtaschen), eingelegte Gurken und eingelegte, süße Walnüsse soweit das Auge reichte. Alles auf dem Hof hergestellt, alles frisch und alles ultra lecker. Vor allem die Walnüsse haben es uns angetan. Während des Essens, einigen Runden Wein und dem Bestaunen der Familienfotoalben haben wir eine weitere georgisch Sitte zu spüren bekommen. Man trinkt einfach auf alles. Auf die Familie, auf Freunde, aufs Essen, auf das Nichtverstehen, auf das Verstehen, auf uns, scheinbar sogar auf das Wort "Gagimardschos", das "Prost" bedeutet. Und so kam es, dass der Kellereigner aufgrund seiner Glaswahl (sein Glas war doppelt so groß wie unsere) und aufgrund seiner Trinkgewohnheit (Gagimardschos und weg auf ex) bald sehr betrunken am Tisch saß. Also war es die Zeit einen Platz für die Nacht zu suchen und die Familie allein zu lassen. Wir haben einen Platz am Wasser gefunden, die Damen haben Pferde gestreichelt und die Männer sind angeln gegangen. Zum weiteren Abend gibt es dann auch nicht viel zu sagen: Angeln, Bier, Wein, Lagerfeuer, Bett. Das Reisen schlaucht tierisch.
Obwohl wir uns nicht ganz sicher sind, ob das wirklich der ausgeschriebene Weinkeller war oder uns ein Nachbar auf seinen Hof gelockt hat, war es doch ein einprägsames Erlebnis. Diese Gastfreundschaft und Herzlichkeit, die die beiden an den Tag gelegt haben war beeindruckend und hat sich sehr gut angefühlt. Und wir beneiden Wendy und Jörg darum, dass sie diese Gastfreundschaft schon so oft erlebt haben und noch oft erleben werden.
Neuer Tag neues Wetterglück. Erstmals zeigte sich Georgien von seiner schönsten Wetterseite und wir konnten am Fluss in der Sonne frühstücken. Nicht ganz unbemerkt von den "Einheimischen". Wir kriegten schnell Besuch von einem der vielen Straßenhunde Georgiens. Diese sind nicht nur zahlreich sondern häufig auch hungrig, sodass wir unser Frühstück gerne geteilt haben. Wendy und Jörg haben die Straßenhunde alle "Bernd" getauft. Es gibt große Bernds, kleine Bernds, Minibernds, Flauschebernds, Fuchsbernds, und so weiter. Aber alle Bernds haben Gemeinsamkeiten: Sie sind entweder richtig süß oder beeindruckend schöne Hunde, sodass man jeden von ihnen irgendwie helfen und streicheln möchte. Allerdings sind viele der Bernds auch so ängstlich und zurückhaltend, dass man gar nicht wissen möchte, welches Leid Menschen ihnen schon zugefügt haben.
Unsere Reise führte uns an diesem Tag nach Telawi. Die Stadt ist vor allem für seinen Weinanbau und sie historische Altstadt, die seit 2012 aufwändig saniert wurde, bekannt. Allerdings merkt man schnell, dass zwar die Fassaden sehr gut aussehen, aber die sanierten Häuser entweder leer stehen, oder nur oberflächlich saniert wurden. So haben wir uns nach einem Stadtbummel wieder auf die Suche nach einem schönen Stellplatz gemacht. Fluss, Bier, Wein, Angeln, Grillfleisch, perfekt. Da uns jedoch passierende Georgier eher belächelten, als wir die Angeln auswarfen hat uns erahnen lassen, dass in dem Kanal kein Fisch ist.
Der letzte Tag. Für den Rückweg nach Tiflis haben wir uns noch ein Stopp in Dawit Garedscha vorgenommen. Der Klosterkomplex an der aserbaidschanischen Grenze ist vor allem für seine mehreren hundert Höhlenwohnungen bekannt. Die 20km Umweg stellten sich als 2 Stunden Umweg heraus und auch die Höhlen waren nicht so leicht zu erreichen wie erhofft. Also endlich wandern und rauf auf den Berg. Über Aserbaidschan kann man eine beeindruckende Höhlenstadt auf dem Dorf erreichen. Wunderschön bemalt und vollständig ausgebaut. Vielleicht die einzig echte Sehenswürdigkeit Georgiens, wenn man 4500m hohe Berge, Landschaft und religiöse Bauten nicht so mag.
Leider war dies das letzte große Highlight unserer Zeit mit Wendy und Jörg. Der viel zu kurze Urlaub ging viel zu schnell vorbei. Es war super zu sehen, wie die beiden ihre Tage verbringen, wie
sie ihr Leben organisiert haben und dass sie absolut glücklich mit ihrer Entscheidung, der Reise und miteinander sind. Hoffentlich können wir bald wieder ins Hotel Coocie einchecken. Bis dahin
werden Tage gezählt, Blogs gelesen und sich über Länder informiert, von denen man keine Ahnung hat.
Danke an Jörg und Wendy für die wunderbare Zeit.
Nachvamdis, Anna & Turbo
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die Alten (Mittwoch, 13 April 2016 20:15)
Ein sehr schöner Beitrag! Wieder ein Land, wo man in Gedanken vollkommen daneben lag! Bei all den schönen Bildern und Erlebnissen sind wir dabei unsere Urlaubsziele neu zu werten. Auch wir leben immer mit u.hoffen, dass wir auch bald mal ins Hotel Cookie einchecken können.
Bis bald und gute Weiterreise!
Bine (Mittwoch, 13 April 2016 22:38)
Ich bin immer wieder überrascht, welche Fähigkeiten geweckt werden, wenn man ins Hotel Cookie eincheckt. Toll geschrieben!