Mit Mami und Papi in Bosnien & Herzegowina

Zugegeben, ich war etwas nervös vor dem Besuch meiner Eltern. Es sollte Ihnen gefallen. Allerdings war die nächste graue Woche angesagt, es hatte zuvor noch niemand die Bequemlichkeit unserer Mitfahrerplätze getestet und Bosnien und Herzegowina ist ein Land von dem ich nichts wusste außer, dass es mal zu Jugoslawien gehört hat, die Hauptstadt Sarajevo heißt und es eine bedeutende Brücke im Süden des Landes geben soll.

Während der drei Stunden, die wir für die 120 km von Tuzla nach Sarajevo gebraucht haben (laut der Bevölkerung soll die Autobahn zur 3. größten Stadt des Landes kommen – irgendwann), hat es natürlich in Strömen geregnet. Aber meine Eltern blieben auch noch cool, als sich der Regen langsam seinen Weg ins Führerhaus gebahnt hat. Ich war die Einzige die etwas die Nerven verlor, als es auch noch Probleme mit der Unterkunft gab. Wir haben jeweils einen Tag im Voraus die Unterkunft gebucht und ich konnte die Vermieterin kurzzeitig nicht erreichen... Alle anderen haben genüsslich an Ihrem Kaffee geschlürft und der Dinge geharrt die da kommen sollten.

 

Aber es sollte sich lohnen. Das Land und der gesamte Urlaub entpuppten sich als voller Erfolg.

 

Die Landschaft in diesem fremden Land ist einfach wunderschön. Ständig fährt man an einem Bach, See oder Fluss entlang, die sich im Norden durch herbstlich gefärbte Berge schlängeln und im Süden steinige Canyons bilden. Auch die Städte haben wunderschöne Plätze zu bieten. Enge Gassen, viele Gotteshäuser und der Einfluss vieler hier sesshafter Völker machen die Städte einzigartig. Für uns Europäer ist zudem alles sehr günstig. Die Leute sind meist super, super nett. In jeder der privaten Unterkünfte hat man uns herzlich empfangen, jeweils direkt die besten Tips für die Umgebung gegeben und Teo, in Mostar, hat uns sogar mit Rakija und Kürbissen aus seinem Garten versorgt.

 

 

Leider spürt und sieht man den mittlerweile seit fast 20 Jahren vergangenen Krieg noch deutlich, was uns alle sehr beschäftigte.

 

Damals hatte Bosnien, nach Slowenien und Kroatien, in einem Referendum die Unabhängigkeit von Jugoslawien beschlossen. Jedoch hatten die im Land lebenden Serben, welche damals ca. 31% der Bevölkerung ausmachten, das Referendum boykottiert und nicht anerkannt. Dies führte schließlich zum 3 Jahre andauernden Krieg im Land. Sarajevo wurde für 1425 Tage von Serben umstellt und beschossen. Versorgt wurde die Stadt durch die internationale Luftbrücke Falconara-Sarajevo, sowie durch einen Tunnel unterm Flughafen (welchen man heute in Teilen noch besichtigen kann). Der Alltag in einer solchen Stadt muss fürchterlich gewesen sein. Wir haben uns hauptsächlich mit Leuten in unserem Alter unterhalten, die wie wir in den 90ern Kinder waren. Ihre Eltern versuchten ihnen eine möglichst normale Kindheit zu ermöglichen. Sie durften die in Privathäuser verlegten Schulen besuchten. Rote Kleidung war jedoch verboten, da Scharfschützen aus dieser Entfernung nicht unterscheiden konnten ob sie ein Kind oder einen Erwachsenen treffen werden. Was müssen diese Eltern für Ängste durchstanden haben, dass eins der Kinder am Abend nicht nach Hause kommt.

 

Im Rest des Landes hatten die Menschen zumindest die Möglichkeit zu flüchten. So trafen wir hier viele Leute mit denen wir sehr interessante Gespräche in Deutsch führen konnten. Alle sind den Europäischen Ländern sehr dankbar für die Aufnahme und Hilfe während dieser Zeit und sind selbstverständlich nach einigen Jahren wieder zurück in ihre HEIMAT.

 

Der Krieg wurde schließlich 1995 durch das Friedensabkommen von Dayton beendet. Die sich bekämpfenden Gruppen wurden gezwungen eine gemeinsame Regierung zu gründen, bei der alle das gleiche Mitspracherecht haben. Gleichzeitig wurde den einzelnen Bereichen (Republik Srpska, Föderation Bosnien und Herzegowina und Sonderverwaltungsbezirk Brcko) große Selbstverwaltungsrechte zugesprochen. Das ganze System ist unglaublich kompliziert aufgebaut und muss bis heute vom Hohen Repräsentant (repräsentiert den UN-Sicherheitsrat im Land) überwacht werden. Somit ist es kein Wunder, dass es dem Land schwer fällt, sich vom Krieg zu erholen. Man sieht noch überall teilweise oder auch komplett zerbombte Gebäude. Fast jeder lebt in Häusern mit Einschusslöchern. Große Teile der unzähligen Industrieanlagen wurden während dem Krieg zerstört. Die Arbeitslosigkeit ist schwer zu greifen, meist liest man von knapp 30%.


In Punkto Religionsfreiheit könnte sich die Welt, vor allem an den Städten, jedoch schon heute ein Vorbild nehmen. Trotz, dass der Krieg zwischen orthodoxen Serben, katholischen Kroaten und bosnischen Muslimen stattfand lebt die Bevölkerung heute, ähnlich wie vor dem Krieg wieder friedlich zusammen. Sie sind sehr stolz darauf und bemüht dieses Bild nach außen zu tragen. In Sarajevo stehen in einer Entfernung von nur 500m die bedeutendste katholische, sowie orthodoxe Kirche, die größte Moschee und die älteste Synagoge der Stadt, was an jeder Ecke betont wird. Auch der Speyrer Weihbischof (er saß am letzten Tag zufällig am Nachbartisch) bestätigte uns dieses Bild. Er hatte am selben Tag eine religionsoffene Schule besucht, die durch die katholische Kirche unterstützt wird.


Am Ende der Woche kann man sagen, dass man über dieses Land völlig zu Unrecht fast keine Reiseinformationen findet. Also falls ihr günstig einen Natur-, Aktiv- oder Städteurlaub machen wollt denkt das nächste Mal über Bosnien und Herzegowina nach. Das Land hat es verdient und kann ein paar Urlauber gut gebrauchen.


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